1 BGE 115 II 451 - Bundesgerichtsentscheid vom 24.10.1989

Entscheid des Bundesgerichts: 115 II 451 vom 24.10.1989

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Sachverhalt des Entscheids 115 II 451

Der Kaufvertrag zwischen der A. AG und F. wurde im Jahr 1987 abgeschlossen, bei dem die A. AG mit Schreiben vom 22. Januar und 3. Februar 1987 den Verkauf von Stoffen an die F. einlösen wollte, obwohl die F. bereits zwei Auftragsbestätigungen vom 3. Juli und 18. Dezember 1986 erhalten hatte, auf welche diese nicht geantwortet hatten. Die A. AG reichte im Juni 1987 eine Klage gegen die F. ein, aber ohne Erfolg. Das Bezirksgericht Münchwilen verpflichtete die A. AG zur Zahlung von Fr. 143'802.-- nebst Zinsen. Das Bundesgericht weist den Verzicht der Beklagten auf einen Selbsthilfeverkauf ab und bestätigt daher ihre Berufung.

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Details zum Bundesgerichtsentscheid von 24.10.1989

Dossiernummer:115 II 451
Datum:24.10.1989
Schlagwörter (i):Urteil; Selbsthilfeverkauf; Pflicht; Beklagten; Stoffe; Recht; Firma; Berufung; Sondervorschrift; Kaufvertragsrechts; Vornahme; Selbsthilfeverkaufs; Gebot; Handelns; Glauben; Vertragsverhältnis; Unterlassung; Rechtsmissbrauch; Kanton; Thurgau; Rechnungen; Zahlung; Bezirksgericht; Obergericht; Erwägungen; Schuldner; Urteilskopf; Auszug; Zivilabteilung

Rechtsnormen:

Artikel: Art. 93 OR , Art. 9 OR

Kommentar:
-

Entscheid des Bundesgerichts

Urteilskopf
115 II 451

79. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1989 i.S. A. AG gegen Firma F. (Berufung)

Regeste
Kaufvertrag; Selbsthilfeverkauf bei Annahmeverzug des Käufers.
Der Verkäufer ist weder gemäss Art. 93 Abs. 1 OR noch aufgrund einer Sondervorschrift des Kaufvertragsrechts zur Vornahme eines Selbsthilfeverkaufs verpflichtet. Eine solche Pflicht kann sich dagegen aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben oder unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis ergeben, setzt aber voraus, dass die Unterlassung des Selbsthilfeverkaufs einem Rechtsmissbrauch gleichkäme.

Sachverhalt ab Seite 451
BGE 115 II 451 S. 451
Die A. AG mit Sitz im Kanton Thurgau handelt mit Stoffen. Sie unterhielt seit 1985 Geschäftsbeziehungen zur italienischen Firma F., die eine Weberei betreibt.
Mit Schreiben vom 22. Januar und 3. Februar 1987 teilte die A. AG der F. mit, sie annulliere alle Aufträge und werde keine Ware mehr entgegennehmen. Davon betroffen waren Stoffsendungen, für welche die F. mit Rechnungen vom 21. November und 19. Dezember 1986 sowie vom 13. Januar 1987 die Zahlung von insgesamt DM 173'256.01 verlangt hatte. Vorher hatte sie der A. AG zwei Auftragsbestätigungen vom 3. Juli und 18. Dezember 1986 zukommen lassen, auf welche diese nicht geantwortet hatte. Eine Mahnung vom 5. März 1987, die Rechnungen zu begleichen, blieb ohne Erfolg.
Im Juni 1987 reichte die F. beim Bezirksgericht Münchwilen Klage ein. Mit Urteil vom 14. Januar 1988 verpflichtete das Bezirksgericht die A. AG zur Zahlung von Fr. 143'802.-- nebst Zins. Auf Appellation der Beklagten wurde dieses Urteil am
BGE 115 II 451 S. 452
8. September 1988 vom Obergericht des Kantons Thurgau bestätigt.
Das Bundesgericht weist die von der Beklagten gegen das Urteil des Obergerichts erhobene Berufung ab.

Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Unbegründet ist schliesslich auch der Vorwurf, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Schadenminderung verletzt, weil sie nicht nach Art. 93 Abs. 1 OR vorgegangen sei und die Stoffe nicht sofort habe öffentlich verkaufen lassen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich lediglich das Recht, nicht aber die Pflicht des Sachleistungsschuldners zur Vornahme eines Selbsthilfeverkaufes. Eine solche Pflicht lässt sich auch nicht aus einer Sondervorschrift des Kaufvertragsrechts ableiten. In der Lehre ist allerdings anerkannt, dass der Schuldner ausnahmsweise gehalten ist, die Sache verkaufen zu lassen. Diese Pflicht gründet nach der einen Auffassung auf dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 zu Art. 93 OR; BUCHER, OR Allg. Teil, 2. Aufl., S. 322 Fn. 16 uns S. 323); nach der anderen ergibt sie sich unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis (VON TUHR/ESCHER, Allg. Teil OR, Bd. II, S. 82 Fn. 57; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 449). Wie WEBER (N. 8 zu Art. 93 OR) jedoch zutreffend hervorhebt, bejahen alle Autoren eine Verpflichtung zum Verkauf nur dann, wenn vorauszusehen ist, dass andernfalls eine erhebliche Schädigung des Gläubigers eintreten würde, d.h. die Unterlassung des Schuldners einem Rechtsmissbrauch gleichkäme. Dafür fehlen im vorliegenden Fall aber jegliche Anhaltspunkte. Dass die Stoffe angeblich modebedingten Nachfrageschwankungen unterliegen, reicht jedenfalls unter Berücksichtigung des klar vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten für sich allein nicht aus, den Verzicht der Klägerin auf einen Selbsthilfeverkauf als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen.

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